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Umgang mit Konflikten

Inhalt

Konflikt und Wechselmodell?

Wie sieht es bei zerstrittenen Eltern aus? Ist die alternierende Obhut auch dort Kindeswohl-förderlich? Was sagt die Literatur dazu:

Lösungen in hochstrittigen Fällen

Es gibt unterschiedliche Ansätze, wie in hochstrittigen Fällen Problemen begegnet werden können. Die folgenden sechs Empfehlungen sollen betroffene Eltern unterstützen, die elterliche Verantwortung gemeinsam übernehmen zu können:
  1. Gleichmässige Zeitaufeilung: Diese Rahmenbedingung ermöglicht es Eltern, sich auf gleicher Augenhöhe und mit gleicher Verantwortung zu begegnen. Das Kind sieht beide Eltern als gleich wichtig an.
  2. Klarer und strukturierter Betreuungsplan: Damit werden Voraussetzungen für strittige Diskussionen beseitigt.
  3. Übergabe des Kindes: Unter Umständen an einem neutralen Ort. Der Informationsaustausch während der Übergabe ist knapp zu halten (sowenig wie möglich, soviel wie nötig). Weitere Informationen können später über E-Mail oder Telefon ausgetauscht werden.
  4. Damit die Anzahl Begegnungen der Eltern vermindert werden kann, sind häufige Wechsel während der Woche zu vermeiden..
  5. Solange die Aufgabenbereiche der gemeinsamen, elterlichen Sorge noch nicht vollständig geklärt sind, können ausstehende Punkte mit einer provisorischen Vereinbarung geregelt werden.
Fazit:
Für ein Kind ist Bindung zu beiden Elternteilen wichtiger als Konfliktfreiheit. Je höher der Zeitanteil eines Kindes bei beiden Eltern ist, desto grösser wird seine Bindung zu ihnen. Eine paritätische Aufteilung der Betreuungszeit kompensiert somit die Belastung des Kindes durch den Elternkonflikt.

Die Wissenschaft geht davon aus, dass in hochstrittgen Familien eine hohe Wechselfrequenz aufgrund der Anzahl
Begegnungen der beiden Eltern dem Kind schadet. Stattdessen soll die Anzahl Wechsel zugunsten der Betreuungszeit vermindert werden. Dem Kind ermöglichen solche Rahmenbedingungen, durch die verstärkte Interaktion mit beiden Elternteilen eine festere emotionalere Bindung zu ihnen aufzubauen.
Die Rechtsprechung muss zum Schutz der Kinder vermeiden, dass es einem Elternteil einen prozesstaktischen Vorteil verschafft, Konflikte zu schüren. Sie darf also einseitiges Konfliktverhalten nicht "belohnen".
In der Praxis wird vielfach das unrichtige Vorurteil vertreten, dass Kinder im Wechselmodell bei Vorliegen von Elternkonflikten mehr belastet würden.
Diese Meinung trifft aber nicht zu: Der Verlust eines Elternteils würde ein Kind aufgrund seines natürlichen Bedürfnisses nach Bindung zu beiden Elternteilen wesentlich stärker und länger belasten (in vielen Fällen lebenslänglich).
Zudem wirkt Kinderbetreuung im Wechselmodell erwiesenermassen in den meisten Fällen deeskalierend und der den Eltern momentan so wichtig erscheinende Elternkonflikt reduziert sich fürs Kind schnell auf eine vorübergehende Episode.

Bei Schwierigkeiten in der Kommunikation

Fürs Gelingen eines Wechselmodells existieren keine speziellen Anforderungen betreffend Kommunikation und Kooperation. Die Anforderungen sind nicht höher als bei einem traditionellen Betreuungsmodell, welches ein Besuchsrecht beinhaltet, und sie sind auch nicht höher als in einer Situation, in welcher die Eltern nicht getrennt sind. Um ihre Zusammenarbeit zu fördern, können die Eltern Unterstützung von diversen öffentlichen Fachstellen beiziehen (z.B. Familienberatung).
In der Rechtsprechung kommt es jedoch immer wieder vor, dass für eine alternierende Obhut oder erweiterte Betreuung fälschlicherweise erhöhte Anforderungen an Kommunikation und Kooperation gestellt werden. Diese unrichtigen Prämissen sind im Interesse des Kindes zu überwinden. Es kommt hinzu, dass die Rechtsprechung nicht getrennt lebende Eltern mit Problemen in der Kommunikation oder Kooperation frei gewähren lässt und sich in diesem Fall nicht einmischt.

Lösungsansätze bei schlechter Kommunikation Allgemeiner Hinweis zur Kommunikation
In Streitsituationen werden meist "Du-Botschaften" ausgeteilt. Diese sind zu vermeiden. Eigene Standpunkte sollen mit "Ich-Botschaften" vertreten werden: "Ich sehe das so..". Das fördert die Gesprächsatmosphäre positiv.

Distanz zwischen den Wohnorten

Studien über geeignete Distanzen zwischen den beiden Wohnorten des im Wechselmodell betreuten Kindes haben aufgezeigt, dass dieser Aspekt ein wesentlicher Faktor darstellt. Möglichst nahe zueinander gelegene Wohnorte der Eltern sind für eine alternierende Obhut förderlich. Auch das Alter der Kinder spielt selbstverständlich eine Rolle.
Was ist aber nah, und was ist fern?
Eine australische Erhebung geht davon aus, dass eine Distanz zwischen 0 und 19 km angemessen erscheint. Andere Studien belegen, dass die alternierende Obhut auch über eine Entfernung von 40 km möglich ist. Es ist aber nicht ausgeschlossen, auch bei Distanzen von mehr als 100 km eine alternierende Obhut einzurichten, wenn beispielsweise der Schulort des halbwüchsigen Kindes in der Mitte liegt und beide Wohnorte vom Schulort aus durch das halbwüchsige Kind mit dem öffentlichen Verkehr einfach erreicht werden können usw. Eine hohe Wechselfrequenz ist so natürlich nicht praktikabel, aber das Beispiel zeigt, dass mehr möglich ist, als auf den ersten Blick erkannt wird.

Fazit

Generell gilt: Wohnortswechsel der Eltern sollen konform zum Betreuungsmodell sein.
Die Distanz zwischen den Eltern sollte so klein wie möglich sein, damit die Erreichbarkeit beider Wohnorte möglichst einfach sichergestellt ist.
Fr. Prof. Sünderhauf - FamRB-Beratungspraxis 9/2013